Um das reale kinematische oder dynamische Verhalten eines konkreten Roboters hinreichend genau beschreiben zu können, müssen Parameter wie geometrische und kinematische Grössen, Massen der Teilkörper, Trägheitsparameter, Reibungskoeffizienten u.a. bekannt sein. Unterschiedliche Methoden zur Roboterkalibrierung durch direkte oder indirekte Vermessung sind verfügbar, um die Genauigkeit kinematischer Modelle zu verbessern [BeAl]. Bei der indirekten Vermessung werden die kinematischen Parameter durch Vergleich von Soll- und Ist-Bahnen berechnet (Identifikation, inverses Problem). Auf geeigneter Modellierung und numerischer nichtlinearer Ausgleichsrechnung beruhende Verfahren zur indirekten Vermessung kinematischer Parameter sind mit dem Industriepartner in den Vorarbeiten zum laufenden Projekt bereits entwickelt und implementiert worden [Mü].
Die Bestimmung dynamischer Parameter ist jedoch problematischer. Zur direkten Vermessung dynamischer Parameter, wie den Massenmittelpunkten und den Trägheitstensoren, ist die Zerlegung des Roboters und experimentelle Vermessung jedes einzelnen Teilkörpers mit relativ aufwendigen Meßapparaturen notwendig [Tü]. Für einen industriellen Einsatz ist es jedoch wünschenswert, die fehlenden (oder nicht ausreichend genau bekannten) Daten des Roboters möglichst am Arbeitsplatz und ohne die Notwendigkeit einer Zerlegung des gesamten Roboters bestimmen zu können.
Zur Identifikation dynamischer Parameter durch indirekte Vermessung werden geeignete Testbahnen mit dem Roboter gefahren. Die unbekannten Modellparameter werden dann so angepaßt, daß die computersimulierten Bahnen möglichst gut mit den gemessenen Bahnverläufen übereinstimmen.
Ein erster Ansatz hierzu nützt aus, daß die zu bestimmenden Trägheitsparameter linear in den Elementen der Massenmatrix M in Gleichung (1) auftreten. Wenn man nun annimmt, daß die Steuergröße (input) sowie alle Zustandsgrößen , , (output) für eine Anzahl von Meßzeitpunkten gemessen werden können, so erhält man damit aus Gleichung (1) ein überbestimmtes lineares Gleichungssystem für die unbekannten Trägheitsparameter [Hö]. Mit akzeptablem Aufwand können in der Praxis jedoch weder die zweiten noch die ersten Ableitungen von gemessen werden. Daher müssen als Ersatz ,,künstliche`` Meßwerte für die Ableitungen von einer Reihe von Meßwerten , bestimmt werden, beispielsweise durch Differenzenapproximationen erster und zweiter Ordnung. Zusätzliche Schwierigkeiten werden dadurch verursacht, daß die Messungen mit Meßfehlern behaftet sind [Hö].
Andererseits können konsistente Werte für und auch allein aus Messungen von und mit Hilfe numerischer Integration der Differentialgleichungen (1) berechnet werden. Die Trägheitsparameter erhält man dann als Lösung eines nichtlinearen beschränkten Ausgleichsproblems der Form:
Man minimiere hinsichtlich der unbekannten Parameter c und den (unbekannten) Anfangswerten ,
D.h. in Gleichung (3) ist die (numerische) Lösung der von den unbekannten Parametern c abhängenden Differentialgleichungen, die das dynamische Verhalten des Roboters beschreiben, mit optional vorgegebenen Anfangs- oder Endwerten (Gleichung (5)). Die numerische Lösung der resultierenden gleichungsbeschränkten nichtlinearen Ausgleichsprobleme erfolgt mit verallgemeinerten Gauß-Newton Verfahren oder angepaßten Verfahren der Sequentiellen Quadratischen Programmierung (SQP) [BoEiSchl], [GiMuSaWr], [He]. Dazu ist eine effiziente und zuverlässige Berechnung der Gradienten , erforderlich. Mehrere Ansätze zur Gradientenberechnung wurden entwickelt, implementiert und verglichen [BuHiKi], [He].
Bemerkungen: Es kann Trägheitsparameter geben, die konstruktionsbedingt durch indirekte Vermessung nicht bestimmt werden können (z.B. die Trägheitsmomente bzgl. der horizontalen Rotationsachsen im Basisgelenk 1 von Abb. 3). Andere Parameter wiederum sind möglicherweise nur bis auf einen gemeinsamen homogenisierenden Faktor eindeutig bestimmbar.
Beispiel: In Abb.4 ist ein Vergleich zwischen Computersimulation und Experiment für die im nächsten Abschnitt beschriebene verbrauchsminimale Bahn aus Abb. 6 für einen Roboter vom Typ Manutec r3 wiedergegeben. Beim Basisgelenk gibt es keinen sichtbaren Unterschied zwischen dem berechneten und experimentellen Verlauf des Gelenkwinkels . Die Unterschiede zwischen der berechneten und tatsächlich benötigten Steuerung sind im Mittelteil der Bewegung auf die im Simulationsmodell [OtTü] nicht berücksichtigte Gleitreibung und am Anfang und am Ende der Bewegung zusätzlich auf Elastizitäten in den Getrieben zurückzuführen. Zur Verbesserung des Modells werden die drei Koeffizienten , i=1,2,3 eines Coulomb-Reibungsansatzes
durch Parameteridentifikation aus 400 Messungen berechnet.
Figure: Verlauf von Winkel und Steuerung des Basisgelenks
für die verbrauchsminimale Steuerung (Abb. 6)
in Simulation (----)
und Experiment (------).